Christoph Schroth zählte zu den mit Sicherheit wichtigsten und einflussreichsten Theatermachern in der DDR.
Der gebürtige Dresdner, 5. Mai 1937, kam aus einer bekannten Theaterfamilie. Seine Mutter war die Schauspielerin Lotte Meyer, sein Bruder der Regisseur Peter Schroth. Als Siebenjähriger erlebte Christoph Schroth im Februar 1945 die schweren Bombenangriffe auf seine Geburtsstadt. Diese Erfahrung prägte ihn für sein ganzes Leben.
Schroth studierte zunächst Journalistik in Leipzig, dann Theaterwissenschaften und später im Fernstudium noch Philosophie.
Seine Theaterlaufbahn begann, da war er gerade 23 Jahre, 1960 als Regieassistent am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Seine erste eigene Inszenierung war dann 1964 „Der Abstecher“ von Martin Walser an der Berliner Volksbühne.
Ab 1966 ging Christoph Schroth an das Landestheater in Halle (Saale). Dort wurden später zwei seiner Inszenierungen verboten. Zum einen die DDR-Erstaufführung des Stückes „Landshuter Erzählungen“ von Martin Sperr. Zum anderen seine Inszenierung des Stückes „Yerma“ von Federico GarcÃa Lorca. Nach seiner Zeit in Halle ging Schroth wieder zurück an die Berliner Volksbühne.
1974 ging Schroth, gerade einmal 37 jahre, als Schauspieldirektor nach Schwerin. „Sicherlich waren die ersten zwei Jahre die schwierigsten, wo wir auch Fehler gemacht und Niederlagen beim Publikum eingesteckt haben“, erinnerte sich der Theater-Regisseur im Gespräch. „Wir hatten damals weder die Voraussetzungen im Ensemble noch die Voraussetzungen beim Publikum, sind zu harsch vorgeprescht. Ãœber den ersten Entdeckungsabend haben wir dann einen Durchbruch beim Publikum und innerhalb des Ensembles erzielt.“
Mit dem Projekt „Goethes Faust“ wird Schwerin zum Theater-Hotspot in der DDR. Die fast 6-stündige „Faust I und II“ – Inszenierung von Christoph Schroth war über zehn Jahre eines der Theater-Ereignisse in Schwerin. Geplant für eine Spielzeit, wurde die Faust-Doppel-Inszenierung zum Dauerbrenner. 106 ausverkaufte Vorstellungen. Das Publikum kam von überall aus der DDR und auch aus der Bundesrepublik, ja weltweit wollte man das Schweriner Schauspiel-Ensemble sehen. „Eine sehr aufregende Arbeit war das“, sagte Christoph Schroth 2014. „Ich würde nicht sagen wollen, das ist meine beste Inszenierung. Da ist viel auch nicht geschafft, aber sie gehörte zu den aufregendsten Theaterproduktionen, die ich je hergestellt habe.“
Alle von Schroths „Entdeckungen“-Projekte, ob mit ausgewählter DDR-Dramatik oder den antiken Dramen, ob die Dreigroschenoper oder das Shakespeares-Projekt im Schweriner Marstall – Schwerin wurde zum Wallfahrtsort für Theaterliebhaber nicht nur im Osten.
Die Entdeckungen hatten stets eine thematische Überschrift, einen Schwerpunkt. Unterschiedlichste Inszenierungen und szenische Formate werden in einen Abend gelegt. Zur neuen Ästhetik gehörte eine Art Volksfest-Charakter. Das gesamte Theater-Haus von den Treppen über die Probebühnen bis hin zu den Foyers wurde während der Entdeckungen bespielt. Volkstheater pur.
Das brachte viele Reibungen, denn das Künstlerische war und wurde immer wieder sehr politisch, nicht immer zur Freude der staatlichen Kulturfunktionäre vor Ort und in Ost-Berlin.
Innerhalb der DDR-Entdeckungen von 1988 ist der Volksliederabend „Die Freie Deutsche Jugend stürmt Berlin“ bedrückend und vorahnend. Die Schauspielerinnen und Schauspieler sangen Lieder aus den Zeiten des DDR-Aufbaus. Über ihnen sieht das Publikum die Jugendbildnisse der Protagonisten. Die Ideale von einst, die Hoffnungen aus den Anfängen kollidierten heftig mit der Realität draußen vor der Theater-Tür. Dieser trotz allem höchst unterhaltsame Abend wurde einer der ganz großen Erfolge von Christoph Schroth in seiner Schweriner Zeit.
1989 inszenierte Christoph Schroth am Schweriner Theater Schillers „Wilhelm Tell“. Damals lehnten die Schauspieler die Aufführung des Dramas zunächst ab.
Allerdings nahm Schroths Fassung im Januar 1989 quasi die Wende, den Zusammenbruch der DDR im Herbst des gleichen Jahres, faktisch voraus.
„Ich glaube, dass ich die wesentlichste Zeit meines Lebens hier in Schwerin erlebt habe“, sagte er 2014 in einem ausführlichen NDR-Interview. Er habe nie wieder so eine intensive Arbeit mit einem Ensemble erlebt: „Es war ein Abenteuer und es war eine beglückende politisch-ästhetische Auseinandersetzung mit einem hochqualifizierten Schauspielensemble und einer tollen Leitungsmannschaft.“
In der Wendezeit,1989, wechselte Christoph Schroth an das Berliner Ensemble, um dort bis 1990 zunächst als Oberspielleiter und dann bis 1992 als Hausregisseur zu arbeiten.
Von 1992 an ist Christoph Schroth bis 2003 Intendant am Staatstheater Cottbus. Dort greift er das Konzept der Schweriner „Entdeckungen“ wieder auf. Hier trägt es den Titel „Zonenrandermutigung“. Berühmt wurde Schroth in diesen Jahren u.a. mit seinem Satz „Wo ich bin, ist keine Provinz“.
In dieser Zeit arbeitete Schroth auch als freischaffender Regisseur im In- und Ausland. So inszenierte er unter anderem am Burgtheater Wien, im finnischen Vaasa, in Kassel, Neustrelitz, Neubrandenburg und Senftenberg.
In seinen letzten Lebensjahren lebte Christoph Schroth zurückgezogen am Stadtrand von Berlin.
Am 20. September 2022 starb der Theatermann im Alter von 85 Jahren in Berlin.
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