„Hätte ich es sagen wollen oder können, hätte ich nicht nötig, es zu malen.“
(Philipp Otto Runge)
Philipp Otto Runge wurde am 23. Juli 1777 als neuntes von elf Kindern der Eheleute Daniel Nikolaus Runge und Magdalena Dorothea Runge in der Hafenstadt Wolgast (damals Schwedisch-Pommern) geboren.
Nach dem Wunsch des Vaters, der Kaufmann und Reeder war, sollte Sohn Philipp Otto , der bereits im frühen Kindesalter an Lungentuberkulose erkrankte, ursprünglich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Doch konnte der junge Runge seinen Wunsch, Maler zu werden, gegen die väterlichen Hoffnungen erfolgreich durchsetzen.
1789 besuchte Philipp Otto Runge die Wolgaster Schule, deren Leiter kein geringerer als Ludwig Gotthard Kosegarten war.
1792 erkrankte Runge schwer und zog mit seinem ältesten Bruder Daniel 1795 nach Hamburg. In der brüderlichen „Kommissions- und Speditionshandlung“ begann Phillip Otto Runge dann eine Kaufmannslehre. In dieser Zeit gab es im damaligen hamburg bereits zahlreiche Anregungen zum Zeichnen und zum Studium der Antike. Immerhin zählten zum Freundeskreis seines Bruders unter anderem der Dichter Matthias Claudius, der Verleger Justus Perthes und der Kunstsammler Johannes Michael Speckter. Auch eine Begegnung Runges mit Friedrich Gottlieb Klopstock prägten den jungen Vorpommern in der Hansestadt an der Elbe.
Nach erstem Zeichenunterricht 1797 durch Heinrich Joachim Herterich und Gerdt Hardorff d. Ä. in Hamburg studierte Phillip Otto Runge in den Jahren 1799 bis 1801 an der Königlichen Akademie in Kopenhagen bei Jens Juel. Freihandzeichnen, Anatomie, Akt und Antikenkopie, Geometrie und Perspektive belegte Runge bei Nicolai Abildgaard. Letzterer war seinerzeit auch Lehrer Thorwaldsens. Nach seinen Studien in Kopenhagen ging Philipp Otto Runge von 1801 bis 1804 an die Kunstakademie Dresden. Hier vertiefte Runge seine Studien bei Anton Graff. In dieser Zeit nahm er auch Kontakt zu den Romantikern, vor allem zu den Malerkollegen Caspar David Friedrich und Johann Gottfried Quistorp, auf.
Der Dichter Ludwig Tieck, den Runge in seiner Dresdner Zeit kennenlernte, brachte ihm die Mystik Jakob Böhmes nahe und machte ihn mit den Anschauungen Novalis’ vertraut. Auf einer Reise nach Weimar lernte Phillip Otto Runge Johann Wolfgang von Goethe kennen.
„Ein Individuum, wie sie selten geboren werden“, soll Johann Wolfgang von Goethe im Jahr 1810 über Phillip Otto Runge gesagt haben.
Im Sommer 1801 begegnete Philipp Otto Runge seiner späteren Ehefrau Pauline Susanna Bassenge in Dresden zum ersten Mal. Der Vater Pauline Susannas, der Handschuhfabrikant Charles Frédéric Bassenge, lehnte die Verbindung seiner Tochter mit Runge kategorisch ab. Er betrachtete Runges künstlerische Ambitionen als ziemlich brotlos. Pauline Susanna war damals noch keine sechzehn Jahre alt.
Erst im April 1803 stimmte ihr Vater einer Verlobung zu.
„Was ist es nun, das zwei Liebende so unendlich aneinander zieht? Es ist nur das: Wir fühlen immer tiefer in uns die Notwendigkeit, das Du mit dem Ich zu verbinden.“
(Philipp Otto Runge an J.H. Besser, am 3. April 1803)
Am 3. April 1804 heirateten Pauline und Philipp Otto in Dresden. Das Ehepaar siedelte nach Hamburg über, und es hatte vier Kinder. Das jüngste Kind wurde am Tag nach Runges Tod geboren und erhielt den Namen Philipp Otto.
Als Philipp Otto Runge am 2. Dezember 1810 in Hamburg an Tuberkulose starb, war Pauline noch eine junge Frau.
Sie hat nicht wieder geheiratet und überlebte ihren Mann um 71 Jahre.
Philipp Otto Runge war neben Caspar David Friedrich der wohl bedeutendste deutsche Maler der Frühromantik. Er gilt heute, obwohl so früh verstorben, als der vielseitigste Künstler des 19. Jahrhunderts.
Ãœber das Medium des Kupferstichs beeinflusste Runge die Kunst bis in den Jugendstil hinein. Und auch die Bauhauskunst, so ist man sich heute sicher, hat der norddeutsche Philipp Otto Runge ideell mit vorbereitet.
Er entwarf die ersten spiegelverkehrten Kartenbilder auf dem Französischen Blatt.
Philipp Otto Runge, gesegnet mit vielen Talenten, perfektionierte Zeit seines Lebens das Kunsthandwerk des Scherenschnitts. Johanna Schopenhauer, die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer, bewunderte Runges Schnitte so sehr, dass sie selbst versuchte, in Runges Art zu schneiden.
1805 gelang ihm der künstlerische Durchbruch mit Radierungen zu seinen Scherenschnitten in dem Zyklus „Die Zeiten“. Dieser erschien in einer ersten Auflage von 25 Stück. Ein Exemplar erwarb Goethe und schmückte damit sein Musikzimmer. Goethe erhielt ebenfalls auch zahlreiche Blumenschnitte aus Runges Hand für die Dekoration in seinen Zimmern.
Der Weimarer Dichterfürst war zeitlebens ein Bewunderer von Philipp Otto Runge.
Er sagte – da war Runge schon gestorben –, die Werke seien „zum Rasendwerden, schön und toll zugleich“ …  „Wer so auf der Kippe steht, muss sterben oder verrückt werden; da ist keine Gnade.“
Zur Kunsttheorie trug Philipp Otto Runge durch seine Überlegungen und Untersuchungen zur Farbenlehre mit seiner Schrift-Farbenkugel bei. Zu diesem Thema korrespondierte Runge  ausführlich mit dem Dichterfürsten und Universalgenie mit Johann Wolfgang von Goethe. Runge schuf damit das erste drei-dimensionale Farbsystem in der deutschen Kunstgeschichte. 1810, in seinem letzten Lebensjahr, erscheint im Perthes-Verlag seine Farben-Kugel-Abhandlung die auch Goethes Farbenlehre maßgeblich beeinflusste.
Philipp Otto Runge war neben Caspar David Friedrichder der bedeutendste Maler norddeutscher Romantik bzw. der so genannten Frühromantik.
Ganz nebenbei war Runge kein Freund der akademischen Malerei. Er vertrat und entwickelte er eine spekulative Auffassung von der „Landschaft“ als großer „Hieroglyphe“, d.h. Allegorie oder Symbol (Beispiele: Die zwei Fassungen von Der Morgen, Arions Meerfahrt, Die Zeiten).
Nach Philipp Otto Runge konnte man die „tiefste Mystik der Religion“ nur in einer neuen Kunst der „Landschafterey“ ausdrücken. Man müsse, so Philipp Otto Runge Malerei, Dichtung, Musik und die Architektur in einem Gesamtkunstwerk vereinen. Nach Ansicht von Runge war die Landschaft nur Teil des Ganzen. Er wollte die gesamte Umgebung des Menschen künstlerisch gestalten mit seiner Auffassung von den Dingen als Gesamtkunstwerk.
Das war für jene Zeit schon fast revolutionär und absolutes künstlerisches Neuland.
Runge war eng befreundet mit seinem bekannteren Künstlerkollegen Caspar David Friedrich und August von Klinkowström die auch als die „Geburtshelfer der Romantik“ bezeichnet werden.
Allerdings weit mehr als seinen Künstlerfreund Caspar David Friedrich beschäftigte Philipp Otto Runge das Figurenbild. Insbesondere als Porträtist von Kindern schuf er Beachtliches.
Der Dichter Novalis schrieb: „Wo Kinder sind, ist ein goldenes Zeitalter.“ Und Runge selbst sagte: „Kinder müssen wir werden, wenn wir das Beste erreichen wollen.“
Runges Art der Kinderdarstellung wurde mehr als 100 Jahre später von Otto Dix (1891 – 1969) aufgegriffen, als er seine Tochter Nelly fast ebenso pausbäckig malte, wie Runge seine Kinder.
Für die deutsche Literatur leistete Philipp Otto Runge Beiträge, indem er mehrere Gedichte verfasste. Er schrieb die beiden Märchen „Van den Machandelboom“ und „Van den Fischer und siine Fru“, stellte diese beiden Arbeiten den Brüdern Grimm zur Verfügung, die so angeregt überhaupt erst mit dem Sammeln der Kinder- und Hausmärchen begannen.
Das Werk Philipp Otto Runges ist sicher auch auf Grund seiner kurzen Lebensspanne nicht sehr umfangreich, aber wesentlich für die Entwicklung der Malerei in Deutschland.
Philipp Otto Runge hatte mit vielen Dichtern seiner Zeit Kontakt. Es existieren Dokumente über einen Briefwechsel mit Johann Wolfgang von Goethe, Clemens Brentano und Ludwig Tieck.
„Die Hoffnung ist das Schönste im Leben, wer sich die abschneiden möchte, bloß um etwas Gewisses zu haben, in dem ist der lebendige Geist schon gestorben“ Philipp Otto Runge, 7. Dezember 1801
„Er lebte nicht, er war ein Abendrot, verspätet aus verlorenen Paradiesen, ließ täuschend er in unsrer Nächte Rot die ahnungsreichen Schimmer fließen“ schreibt Klemens Brentano über den viel zu früh verstorbenen großen Romantiker.
Bereits 1837 notierte Brentano voll des Lobes über Philipp Otto Runge : „…dieser sei eigentlich doch der tiefsinnigste Künstler, der unmittelbarste der neueren Zeit…“
Und Ernst Moritz Arndt notierte zum frühen Ableben Runges : “ … Einen Landsmann haben wir neulich verloren, einen frommen, himmlischen Jüngling, dem das Schicksal nur vergönnt hat anzudeuten, was er in gediegener Mannesfülle hätte sein können: ich spreche von dem wackeren Maler Runge, der vor einigen Wochen in Hamburg gestorben. Die Zeit, scheint es, will das Beste schnell ausstoßen …“
„Sie haben mir, werthester Herr Runge, durch Ihren Aufsatz sehr viel Vergnügen gemacht: denn wie sehr meine Vorstellungsweise mit der Ihrigen zusammentrifft, ergiebt sich schon daraus, daß ich am Schlusse meines Entwurfs einer Farbenlehre einige früher mitgetheilte Blätter mit abdrucken ließ. Leider habe ich das Ganze noch nicht abschließen können, und so liegt denn eins mit dem andern noch im Verborgenen. Desto angenehmer ist mir’s, wenn Sie die gegenwärtige Schrift je eher je lieber herausgeben, damit ich mich darauf beziehen könne. Sie enthält nichts, was sich nicht an die meinige anschlösse, was nicht in das von mir Vorgetragene auf eine oder die andre Weise eingriffe. So wie ich meine Arbeit durch die Ihrige hie und da supplirt finde, so werden Sie auch sich wieder durch mich gefördert sehen, und es muß sich alsdann eine lebhafte Communication eröffnen. Wie angenehm ist mir’s, daß ich auch unter den Gleichzeitigen Gleichgesinnte nennen kann, die ich bisher mir unter den Abgeschiedenen aufsuchen mußte!“                          J.W. von Goethe.
Trotz der beachtlichen Wertschätzung durch viele bekannte Zeitgenossen erging es auch Philipp Otto Runge so wie vielen seiner seiner Malerkollegen einst und jetzt. Zu Lebzeiten blieb er weitgehend unentdeckt und seine Arbeiten erhielten erst im Nachhinein die ihnen zustehende Anerkennung.
Es war Alfred Lichtwark – am 3. Dezember 1886 zum ersten Direktor der Hamburger Kunsthalle berufen – der in Runge den genialen Künstler erkannte und einen Großteil seiner Arbeiten ankaufte.
Ein Teil der Bilder Philipp Otto Runges wurde leider 1931 bei einem Großbrand des Münchner Glaspalastes zerstört.
29 der erhaltenen 35 Werke befinden sich in der Kunsthalle Hamburg. Weitere seiner Bilder sind im Besitz des Kulturhistorischen Museums der Stadt Stralsund und im Pommerschen Landesmuseum Greifswald, sowie in Österreich und der Schweiz.